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Herbstliebe

Leise, fast lautlos fielen die Blätter zu Boden.

Gezeichnet in den Farben der vergangenen Tage, betteten sie sich zum Sterben auf die kühler werdende Erde.

Sie geben ihr Leben, um das Leben anderer zu retten. Ein ewiger Kreislauf, dachte er, während er sich den Mantel fester um seinen Leib zog. Es war kälter geworden. Am Morgen waren das erste Mal dichte Nebelschwarten durch seinen Garten gezogen und hatten sich um sein Haus gelegt. Als wollte selbst die Natur ihm bei seinem nächsten Schritt unterstützen. Vorfreude hatte sich in ihm ausgebreitet, während sich der köstliche Kaffeegeruch unter die feuchte erdige Luft legte. Wieder huschte ihm ein Lächeln über die Lippen, bei den Gedanken an das Kommende.

Das Rascheln der Blätter holte ihn ins Hier und Jetzt zurück. Es war noch früh am Abend, doch die Dunkelheit ließ nicht mehr lang auf sich warten. Das Licht der Laternen versank in dem Dunst des Herbstes. Langsam schlenderte er durch den menschenleeren Stadtpark. Monate hatte er diesen gemieden. Im Sommer waren hier zu viele Menschen. Sie waren laut. Hektisch. Nervig. Doch jetzt lagen verwaiste Wege vor ihm. Wiesen, dessen einziger Besucher der Reif war, der sich wie eine Decke auf sie niederlegte. Klare, frische Luft drang in seine Lunge und hinterließ eine kühlende Spur des Lebens.

Ein Kribbeln zog sich durch seinen Magen. Nichts war besser als die Angst der Menschen. Sie hatten Angst vor Dunkelheit. Sie hatten Angst vor dem Tod. Sie hatten Angst vor allem, was sie nicht kontrollieren konnten. Sie waren so einfältig. So vieles entging ihnen, weil sie sich von niederen Impulsen leiten ließen.

Das Leben war ein Kreislauf. Sie wurden geboren. Sie lebten. Sie starben. So wie es die Natur jedes Jahr aufs Neue tat. Nur, dass davor scheinbar niemand Angst hatte.

Er schüttelte den Kopf. Es machte keinen Sinn, über Menschen nachzudenken. Seit Jahrzehnten lebte er mit ihnen und seit Jahrzehnten verstand er sie nicht.

Die Nebelschwarten um ihn wurden dicker. Ein Funkeln legte sich in seine Augen, denn er wusste, dass er seinem Ziel immer näher kam. Der süßliche, leichte Duft von Vanille bestätigte es ihm. Sie war tatsächlich gekommen.

Natürlich liebte er die Jagd. Doch nach den warmen Sommermonaten hatte er genug davon, durch die Wälder zu preschen und mit seiner Beute zu spielen. Sicher machte es ihm Spaß und dennoch wusste er die Vorteile der dunklen Jahreszeit zu schätzen.

Heiße Getränke. Gemütliche Spaziergänge. Beute, welche sich bereitwillig in seine Arme warf und eine Natur, die ihm vor aller Augen den nötigen Schutz bereitstellte.

Haselnussbraune Locken wippten auf ihren Schultern. Ein erwartungsvoller Blick strahlten ihm entgegen. Ihr Duft ließ das Wasser in seinem Mund zusammenlaufen. Liebevoll zog er sie in seine starken Arme und hauchte ihr einen sanften Kuss auf die Wange.

»Wollen wir noch eine Runde laufen? Ich liebe diese kühlen Herbstabende.«

Sie nickte und ergriff seine Hand.

»Es ist faszinierend zu sehen, wie die Natur sich verändert, oder?«, fragte sie und musterte die bunten Laubhaufen am Wegesrand.

»Ist es. Ist es wirklich«, erwiderte er und verstärkte den Griff um ihre Hand.

Der Kreislauf des Lebens, dachte er und sah sie aus dem Augenwinkel an. Sie war perfekt und bevor sie am Ende des Parks angekommen sein würden, wäre sie zu seinem Kreislauf geworden. Blutleer. Kalt und Tod. Das Bild, ihrer blasen Haut, umrahmt von einem Meer aus bunten Blättern, ließ ihn ein letztes Mal schmunzeln, bevor seine Nägel sich tief in ihr Fleisch bohrten und er die ersten Spuren ihrer Angst in der Luft vernahm.

Copyright: CCK-Schildmaid

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